Deutschland liegt gemäß der aktuellen, im Auftrag der Stiftung Mittelstand erstellten neunten Auflage der ZEW-Studie im Länderindex Familienunternehmen (https://www.familienunternehmen.de/de) nur noch auf dem 18. Rang der 21 analysierten Industrienationen. In der Studie werden sechs Subindice ermittelt, nämlich Steuern, Arbeit, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur, Investitionen und Energie. Die Autoren der ZEW-Studie kommen zu folgendem Schluss: „Der Befund zur Position Deutschlands bietet erheblichen Anlass zur Sorge.“[1] Die deutsche Wirtschaft ist 2024 voraussichtlich zum zweiten Mal in Folge rezessiv (Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024, S. 3).
Diese Aussagen passen nicht dazu, dass der DAX-Index auf Rekordhoch geklettert ist. Aber der DAX repräsentiert nicht die deutsche Unternehmenslandschaft, sondern die Großunternehmen, von denen die meisten weltweit tätig sind und weltweit produzieren. Möchte man wissen, wie es den mittelständischen Unternehmen in Deutschland geht, die überwiegend auf deutsche Teilmärkte angewiesen sind, sieht man sich am besten den MDAX an. Und der MDAX hat seit 2021 ¼ seines Wertes verloren. Das Tragische ist, dass sich diese Entwicklung offenbar nicht umkehren lässt. Das Herbstgutachten 2024 der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute kommt zu dem bitteren Schluss, dass Deutschland in absehbarer Zeit höchstens mit leichtem Wirtschaftswachstum rechnen kann (Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024, S. 34). Eine aktuelle Studie des BDI (BDI 2024) sieht 20 % der industriellen Wertschöpfung in Deutschland als bedroht an.
Unternehmen in Deutschland leiden laut der ZEW-Studie vor allem unter der überbordenden Bürokratie, der im Ländervergleich hohen Steuerlast, den hohen Lohn- und Energiekosten bei gleichzeitigem sich verschärfenden Fachkräftemangel und der zunehmenden Konkurrenz mit chinesischen Unternehmen. Wer seine Wertschöpfung nicht ins Ausland mit günstigeren Produktionsfaktoren verlagern kann, hat es in Deutschland schwer.
Hinzu kommen in Deutschland unsichere politische Rahmenbedingungen vor einer weltweit sogar unüberschaubaren Kulisse. Steuer- und Subventionsentscheidungen haben einen großen Einfluss auf den Einsatz von Technologien, sozialpolitische Entscheidungen beeinflussen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, und politisch motivierte Embargos schlagen auf die Energie- und die Rohstoffverfügbarkeit und -preise durch. Die geopolitischen Zusammenhänge werden komplexer und unterliegen schnelleren und stärkeren Veränderungen.
Aus diesem wabernden Potpourri wirtschaftshemmender Faktoren resultiert die zu beobachtende und nachvollziehbare geringe Investitions- und Innovationsbereitschaft der deutschen Betriebe, die deren internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter schwächen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Spirale nach unten. Die Anzahl von Unternehmenskrisen wird sich erhöhen.
Meine Empfehlung: Machen Sie sich vor dem Hintergrund der der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung frei von Wachstumsvorstellungen. Seien Sie besonders sensibilisiert für Chancen, aber stellen Sie auf maximal das Geschäftsvolumen ein, das Ihr Unternehmen jetzt und in kurzfristiger Perspektive verlässlich erwirtschaften kann, und passen Sie die Kapazitäten und Strukturen konsequent an dieses Niveau an, solange sich Ihr Unternehmen die Restrukturierung noch leisten kann. Resilienz geht vor Wachstum. Vermeintlich trägt diese Strategie zur Abwärtsbewegung der deutschen Wirtschaft bei, aber es geht um die Existenzsicherung Ihres Unternehmens. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass es der deutschen Wirtschaft besser geht, je mehr Unternehmen diese schwierige Phase bewältigen.